Zwickau – Die Apothekenlandschaft im Landkreis schrumpft weiter. Immer mehr pharmazeutische Standorte schließen, was bei Fachleuten, Politik und Bevölkerung Besorgnis auslöst. Die Entwicklung ist Teil eines deutschlandweiten Trends, trifft ländliche Regionen wie Zwickau jedoch besonders hart.
Ein schleichender Rückzug – weniger Apotheken, weniger Versorgung
Im Landkreis Zwickau ist der Rückgang der Apotheken deutlich sichtbar. Innerhalb eines Jahrzehnts sank die Zahl von ehemals 93 Apotheken auf aktuell nur noch 74. Allein im vergangenen Jahr mussten zwei weitere Apotheken ihre Türen für immer schließen. Dieser kontinuierliche Schwund wirft die Frage auf: Warum schließen Apotheken im Landkreis Zwickau?
Die Ursachen sind vielfältig. Apothekerinnen und Apotheker sehen sich einer wachsenden wirtschaftlichen Belastung gegenüber. Stagnierende Honorare, steigende Betriebskosten und immer mehr Bürokratie machen die Führung einer Apotheke zur Herausforderung. Der finanzielle Spielraum ist oft so gering, dass selbst Apotheken mit hohem Umsatz kaum über die Gewinnschwelle hinauskommen. Zusätzlich fehlt es an Nachwuchs – viele Inhaber finden keine Nachfolge, was in der Konsequenz zu Schließungen führt, selbst wenn der Betrieb wirtschaftlich tragfähig wäre.
Online-Konkurrenz und strukturelle Probleme
Ein weiterer Faktor ist die zunehmende Konkurrenz durch Online-Versandapotheken. Plattformen wie DocMorris oder Shop-Apotheke bieten schnellen Service und günstige Preise – vor allem für digital-affine Kunden attraktiv. Doch der Preisvorteil hat Folgen: Wie reagieren Patienten auf die Schließung lokaler Apotheken?
Viele Menschen im Landkreis vermissen mit jeder geschlossenen Apotheke mehr als nur einen Ort zur Medikamentenabholung. Sie verlieren persönliche Ansprechpartner, lokale Beratung und schnelle Hilfe im Notfall. Besonders ältere Menschen oder Menschen ohne Internetzugang geraten dadurch in Versorgungslücken.
Versorgungsengpässe drohen in ländlichen Gebieten
Im urbanen Raum sind Apotheken oft fußläufig erreichbar. Anders sieht es in ländlichen Gegenden aus. Welche Auswirkungen hat das Apothekensterben auf ländliche Regionen in Sachsen? In manchen Orten müssen Patienten heute schon über 15 Minuten zu Fuß zur nächsten Apotheke gehen – mitunter noch deutlich länger, wenn keine Busverbindung besteht oder keine Angehörigen fahren können.
Die Statistik zeigt: Während bundesweit etwa 99 Prozent der Menschen mit dem Auto innerhalb weniger Minuten eine Apotheke erreichen, liegt die fußläufige Erreichbarkeit deutlich darunter. Für viele Menschen, besonders in strukturschwachen Gegenden, ist das ein wachsendes Problem. Und der Trend zur Schließung hält an. Auch auf Bundesebene sieht es nicht besser aus: 2023 wurden 559 Apotheken geschlossen, aber nur 62 neue gegründet. Das ist der stärkste Rückgang seit über 20 Jahren.
Der Landkreis Zwickau im bundesweiten Vergleich
Mit rund 24 Apotheken pro 100.000 Einwohner liegt der Landkreis Zwickau zwar leicht über dem sächsischen Durchschnitt von 22 – aber unter dem bundesweiten Mittel. Und im europäischen Vergleich steht Deutschland ohnehin schlecht da: Der EU-Durchschnitt liegt bei etwa 32 Apotheken pro 100.000 Einwohner. Gibt es deutschlandweit ähnliche Apotheken-Schließungstrends wie in Zwickau? Die Antwort lautet: ja. Vor allem in Bundesländern wie Berlin, Rheinland-Pfalz oder Baden-Württemberg ist der Rückgang ähnlich drastisch.
Was tut die Politik – und was fordern die Apotheken?
Die Debatte um das Apothekensterben hat längst die politischen Ebenen erreicht. Welche Maßnahmen fordert die sächsische Politik gegen das Apothekensterben? Die Linke im Sächsischen Landtag fordert ein ganzes Maßnahmenpaket: dynamische Anpassungen der Apothekenhonorare, mehr digitale Unterstützung, Förderung von Neugründungen und bessere Bedingungen bei Übergaben.
Susanne Schaper, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, fordert außerdem eine Entlastung von bürokratischen Hürden: „Die Vorschläge liegen seit Jahren auf dem Tisch – es fehlt nur noch der politische Wille, sie umzusetzen.“ Auch auf Bundesebene gibt es Pläne: Gesundheitsminister Lauterbach prüft Modelle wie PTA-geführte Apotheken, Telepharmazie und flexiblere Öffnungszeiten. Doch diese Ideen stoßen bei vielen auf Skepsis – nicht zuletzt wegen möglicher Qualitätseinbußen.
Stimmen aus der Praxis
Apothekerinnen und Apotheker äußern sich zunehmend offen – auch in sozialen Netzwerken wie LinkedIn oder Foren. Die Aktion „Wir sehen rot“ brachte viele Betroffene zusammen, die sich nicht länger ignoriert fühlen wollten. Es geht um mehr als Geld: „Wir sind keine Selbstbedienungsläden“, schrieb eine Apothekerin. „Unsere Beratung rettet täglich Menschenleben.“
Der Alltag in der Apotheke: hohe Belastung, wenig Ertrag
Ein häufiger Kritikpunkt aus der Branche: Die wirtschaftliche Belastung steht in keinem Verhältnis mehr zur gesellschaftlichen Verantwortung. Viele Apothekeninhaber berichten von Umsatzmillionen – aber am Ende bleibt nur ein Bruchteil davon als Gewinn. Gleichzeitig wächst der Aufwand für Dokumentation, Rabattverträge, Lieferengpässe und Personalmangel.
Was tun Apotheker im Landkreis Zwickau bei Medikamentenknappheit? Sie versuchen, kreative Lösungen zu finden: Patienten werden auf Wartelisten gesetzt, Arzneimittel ersetzt oder im Labor selbst hergestellt. Gleichzeitig werden Ärzte kontaktiert, um alternative Rezepte auszustellen – ein Zeit- und Organisationsaufwand, der häufig nicht vergütet wird.
Tabellarische Übersicht: Apothekenentwicklung im Landkreis Zwickau
Jahr | Anzahl Apotheken | Veränderung zum Vorjahr |
---|---|---|
2014 | 93 | – |
2020 | 78 | −15 |
2023 | 76 | −2 |
2024 | 74 | −2 |
Stille Verluste: Apothekenschließungen ohne Skandal
Viele Apotheken im Landkreis Zwickau verschwinden leise. Es sind keine Insolvenzen mit Medienecho – oft liegt die Entscheidung in persönlichen Lebensumständen: Krankheit, Ruhestand, fehlende Erben. In Foren berichten Apotheker offen von der Schwierigkeit, Nachfolger zu finden. Selbst funktionierende Betriebe bleiben oft ohne Käufer. Wie viele Apotheken gibt es aktuell im Landkreis Zwickau? Die aktuellste Zahl liegt bei 74 – Tendenz fallend.
Emotionale Dimensionen in der Bevölkerung
In sozialen Medien, Regionalgruppen und Foren berichten Bürger davon, wie stark sie die Verluste vor Ort spüren. „Ich wusste nicht mehr, wo ich mein Rezept einlösen soll“, heißt es in einem Kommentar. Die Nähe zur Apotheke – ein Stück Sicherheit – geht verloren. Besonders für Senioren oder Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen ist das gravierend.
Wie es weitergehen kann – und was jetzt gebraucht wird
Der Erhalt wohnortnaher Apotheken ist nicht nur ein Anliegen der Pharmazeuten, sondern ein gesellschaftlicher Auftrag. Wenn medizinische Grundversorgung nur noch digital oder mit dem Auto erreichbar ist, droht eine Entkopplung weiter Bevölkerungsteile vom Gesundheitssystem. Es braucht daher strukturelle Änderungen: faire Vergütung, Nachwuchsförderung, Entbürokratisierung und Anerkennung der gesellschaftlichen Rolle.
Ein grundlegender Wandel in der Gesundheitspolitik ist dringend notwendig. Doch auch die Wahrnehmung in der Bevölkerung spielt eine Rolle. Die Apotheke ist mehr als ein Ort zum Einlösen von Rezepten. Sie ist Anlaufstelle, Vertrauensperson, medizinische Beratung – und vor allem: unverzichtbar.